Frankreich – Sternenfunkeln über der Prärie

Durch noch dünner besiedelte Landschaften fahren wir weiter. In Nasbinals steuern wir den Camping Municipal an und quartieren uns 3 Nächte für 11.40 Euro/Nacht ohne Strom ein.

Die Sites des Camping sind relativ gross und auch wenn er fast voll ist, wirkt es nie sonderlich gedrängt. Die Strasse ist nachts kaum befahren und es ist recht ruhig. Viele Pilger mit ihren winzigen Zelten besiedeln die Zeltwiese. Wie so oft in Frankreich teilen sich Frauen und Männer das Sanitärgebäude. So unkompliziert.

Wir werden von Philibert, dem dienstältesten Mitarbeiter, begrüsst.

Der vor etwas über drei Jahren in Sampieri (Italien) eingebaute Lüfter der Trenntoilette ist seit einiger Zeit unangenehm hörbar. Heute ist das Wetter ideal um ihn durch einen neuen auszutauschen. Nach dem Austausch rennt der Neue wie vorgesehen und es ist ruhig. Klappe zu und gut ist. (Wer eine einfache Lüftersteuerung kennt, die mit instabilen Womo-Spannungen umgehen kann, kann uns gerne ein Mail schreiben).

Die Umgebung ist landwirtschaftlich geprägt. Die unzähligen Rösser sind ein Traum. Für den Marlboro Man und kleine Mädchen.

Und manchmal jagen Pacman-Wolken vorbei.

 

In Nasbinals werden wir von Silvie, der Bürgermeisterin begrüsst. Sie ist sehr beschäftigt und wünscht uns nach einem kurzen Schwätzchen einen schönen Aufenthalt.

Für weitere Fragen verweist sie an die Vize-Bürgermeisterin.

Durch die Pilger und Wanderer wirkt das Dörfchen sehr lebendig. Die Menschen sitzen und stehen draussen und feiern den Sommer.

Im Städtchen ist gerade Phot’Aubrac, eine tolle Open Air Fotoausstellung von vielen verschiedenen Fotografen. Auf dem Dorfplatz werden grossformatige Prints von Vulkanen gezeigt. Sie wurden von Arnaud Guérin fotografiert und sind durch die dreidimensionale Wirkung unglaublich faszinierend. Was für Bilder!

Wir entdecken einen der wahrscheinlich wenigen Citroën Méhari, die noch auf der Strasse sind. Das Auto ist im absolut makellosen Top-Zustand.

Der Méhari wurde zwischen 1968 und 1988 in Belgien, Spanien, Argentinien, Portugal und Jugoslawien aus ABS-Plastik produziert.

Im Les Sentiers de l’Aubrac kehren wir ein. Das Restaurant wird kurz vor halb acht fast voll. Sabine bekommt einen feinen Salade Bergère und ich leckeres Grillade de Bœuf mit Aligot. Aligot ist die hiesige, mit frischem Tomme-Käse verfeinerte Kartoffelbrei-Spezialität. Zum Dessert bestellen wir uns eine Crême Brulée mit Heidelbeeren. Sehr lecker.

 

Beim Ausgang sehen wir in einer dunklen Ecke klein das Schild “Passe sanitaire obligatoire” (Impfzertifikat obligatorisch). Der Wirt hat seine Pflicht damit getan. Wir auch, haben wir doch das Schild gelesen, wenn auch etwas verspätet. Weit weg, in Paris, sitzt der kleine Emmanuel mit hochrotem Kopf. Mit seinen Massnahmen wollte er doch Mutti beeindrucken. Nur… welche Mutti?

Am nächsten Tag geht’s weiter. Nach nur 4 Kilometern steuern wir den Déroc Wasserfall an. Wenn das so weitergeht, schieben wir das Hörnli das nächste Mal. So wie Taxifahrer, die in der Warteschlange auf Fahrgäste warten und eins vorrücken.

Der Wasserfall zieht viele Besucher an. Von oben wirkt er jedoch etwas dünn und wenig spektakulär, finden wir. Spannend zu beobachten ist eher wie nahe sich die Leute an den Abgrund wagen. Kein Geländer würde einen Sturz verhindern. Hier wird dem Darwinismus nicht ins Handwerk gepfuscht. Aber zum Glück stürzt niemand von den Klippen und alles bleibt gelassen.

Am nächsten morgen in der Früh laufen wir los zum Wasserfall. Das weiche samtige Morgenlicht hat schon was… wenn man nur nicht so früh dafür aufstehen müsste. Und so ohne Frühstück und Tee.

Dann schauen wir uns den Wasserfall von unten an. Nach einer echt derben Kletterpartie.

Von hier sieht der Wasserfall schon spektakulärer aus. Das findet auch Max, der Frosch.

Darauf geht’s ab zum planschen.

Wenige Kilometer von Nasbinals liegt das Dorf Marchastel am Fuss eines erloschenen Vulkans. Von oben hat man einen herrlichen Rundumblick über die Weiten des Aubrac.

Zum Übernachten fahren wir den kleinen Parkplatz beim Roc de Loups an. Der Platz liegt direkt an einer tagsüber wenig befahrenen Strasse, die aber in der Nacht bis etwa 1 Uhr morgens seltsamerweise mehr Verkehr aufweist. Tagsüber gibt es Dutzende Pilger, die an unserem Bus vorbeimarschieren. Einige sind wegen der Wärme, es ist 30 Grad, dem Kollaps nahe.

Die Gegend ist hier recht einsam. Fast baumlos erinnert sie an eine Prärie. Die Häuser in den Weilern kann man an einer Hand abzählen. Wildnis gibt’s hier keine, dafür unendlich viele Weiden für die Aubrac-Rinder.

Die Sonnenuntergangsstimmung auf dem Roc de Loups zaubert eine warme weiche Lichtstimmung.

Die Party beginnt aber erst in der Nacht. Wir warten auf die Dunkelheit und die Milchstrasse… Zudem sollen in diesen Nächten besonders viele Sternschnuppen zu beobachten sein.

Nach dem Monduntergang sehen wir zwar nur zwei Sternschnuppen. Dafür zieren Millionen von Sternen den dunklen Abendhimmel. Die Milchstrasse spannt sich wie ein magisches Nebelband über unseren Bus. Was für ein ausserordentliches Erlebnis.

Wegen der Hochsaison war die Aubrac zwar nur stellenweise still, aber mit ihren weiten Landschaften und härzigen Dörfchen hat sie uns trotzdem verzaubert.

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Comments (4):

  1. nadine.gruber@gmx.ch

    29. August 2021 at 7:44

    ganz grosses kino – toller text, brillante bilder, wunderschöne gegend – weiterhin gute fahrt gen süden. lg nadine

    • Living in a Box

      29. August 2021 at 9:09

      Herzlichen Dank für den Kommentar und die lieben Wünsche.

  2. miro.hartmann@t-online.de

    30. August 2021 at 17:39

    Der Blick in den dunklen Abendhimmel mit Millionen von Sternen muss einfach nur grandios sein. Ihr habt diesen Anblick als ein ausserordentliches Erlebnis sehen und bewundern dürfen. Da fallen mir sofort die zwei Verse 4 und 5 aus Psalm 8 ein und ich kann nur staunen: „Ich blicke zum Himmel und sehe, was deine Hände geschaffen haben: den Mond und die Sterne – allen hast du ihren Platz zugewiesen. Was ist da schon der Mensch, dass du an ihn denkst? Wie klein und unbedeutend ist er, und doch kümmerst du dich um ihn.“

    • Living in a Box

      30. August 2021 at 18:40

      Ja stimmt, wenn man so nach oben blickt, ist man sich bewusst, wie unbedeutend dass man ist. Vielen Dank für den Kommentar.

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