Fotografie – Vintage Digital (Fujifilm MX-700)

1999? Die Kamera ist von 1999? Hat man da Computer nicht noch mit K geschrieben und überhaupt, gab’s da schon Digitalkameras? Willkommen zu einem nostalgischen Tech-Post.

Fast alle namhaften Hersteller hatten in den späten 1990er-Jahren interessante Digicams am Start. Agfa, Pentax, Minolta, Casio, Epson, Sanyo, Kodak, Nikon, Canon, Polaroid, Sony, Panasonic, Leica, Olympus und natürlich Fujifilm.

Natürlich gab’s auch echt exotische Hersteller wie z.B. Hewlett-Packard, Toshiba, iOmega (genau, die mit den ZIP-Drives), Hitachi, Philips, iPix, Jenoptik, JVC, Kyocera/Yashica, NEC und viele andere.

Edle Prospekte im A4-Format zeigten grossformatige Highend-Abbildungen des Produktes auf der Titelseite. Die wurden ganz offensichtlich mit analogen Mittelformat- und Grossformat-Kameras gemacht, da die digitale Fotografie noch nicht so weit war. Im Kontrast dazu wurden im Innenteil Beispielbilder, die die Fähigkeiten der beworbenen Kamera illustrieren sollten, im Briefmarkenformat oder bestenfalls 3×4 cm gross gezeigt. Digicams hatten seinerzeit eine viel zu niedrige Auflösung, um die Bilder in Prospekten hochauflösend verwenden zu können.

Foto: superkids.com (Mattel?)

 
Auch Mattel war 1999 mit dabei. Man hat die erste Barbie-Cam angeboten. Allerdings war sie in der Schweiz – so weit ich weiss – nicht erhältlich und Online-Shopping stand auch noch in den Kinderschuhen. Und die gebotene Auflösung von 160 x 120 Pixeln war selbst für seinerzeitige Verhältnisse Kinderkram.

1999 wurde die MX-700 von Fujifilm in der Schweiz für über 1200 Franken angeboten (entspricht 2021 ca. 1800-1900 Franken). Seinerzeit kaufte ich die Kamera für einen Irland-Aufenthalt und mein erstes Reiseblog-Projekt. Weil mir die Kamera immer noch gut gefällt und es meine erste Digitalkamera war, habe ich sie nie verkauft.

Die MX-700 wurde 1999 für den zeitlos schönen Aluminium-Body gelobt, für die kompakte Grösse im Zigarettenschachtel-Format und für den proprietären Akku (weiteres dazu unten). Sie hat einen CCD-Sensor mit der atemberaubenden Auflösung von 1280 x 1024 Pixeln bei fest eingestellten ISO 100. Ein 35-mm-Autofokus-Objektiv (KB-äquivalent) mit Blende 3.2 sorgt für mässig scharfe Bilder. Weil Digicams seinerzeit von Computerfreaks designed wurden, hat man dabei allerdings den Objektivdeckel vergessen.

Aber wie fotografiert es sich 2021 eigentlich mit der MX-700?

Rund 8 Sekunden braucht die Kamera um nach dem Einschalten bereit zu sein. Knapp 1 Sekunde dauert es bis sie bei gutem Licht fokussiert. Eine weitere halbe Sekunde benötigt sie zum auslösen und dann nochmal ca. 5 Sekunden bis sie bereit ist für eine neue Aufnahme. Eher ungeeignet also um das kurz auf dem Marktplatz landende Ufo zu fotografieren. Und bye bye Pulitzer-Preis.

Digitalfotografie vom letzten Jahrtausend bedeutet vor allem eins: Geduld, viel Geduld. Die Entdeckung der Langsamkeit lässt einen auf jeden Fall viel Zeit sich näher mit dem Objekt zu beschäftigen. Oder darüber nachzudenken wie es wäre mit einer 4×5-Inch-Plattenkamera zu arbeiten. 🙂

Bei schläfrigen Insekten reicht die Autofokus-Zeit trotzdem allemal.

Natürlich hat sich nicht nur bezüglich Geschwindigkeit sondern auch Bildqualität einiges getan in den letzten 22 Jahren. Aber 1999 war man halt bei digitalen Bildern schon zufrieden, wenn man überhaupt etwas darauf erkennen konnte ohne fünfstellige Beträge für die Kamera zu bezahlen.

Zum Vergleich der fast identische Ausschnitt von der MX-700 und der X-T30 von Fujifilm.

Fujifilm MX-700 (Markteinführung 1998)

 

Fujifilm X-T30 (Markteinführung 2019)

 

Alle JPGs in der Bildgalerie unten sind unbearbeitet direkt aus der Fujifilm MX-700.

Neben Geschwindigkeit und Bildqualität vermisse ich die Unterstützung von RAW-Files, Wechselobjektive, eine “elektronische Wasserwaage” und vor allem ein Ausklapp-Display (das haben Smartphones auch nicht) und einen guten elektronischen Sucher. Zudem ist bei der zur Verfügung stehenden 2-MB-SmartMedia-Speicherkarte nach 11 “hochaufgelösten” 1,3-Megapixel-Bildern Schluss.

Bei diesem Projekt war der vielgelobte proprietäre Akku aus dem Jahr 1999 das Hauptproblem. Er war nämlich mause und ein neuer baugleicher Akku ausschliesslich in den USA erhältlich. Herzlichen Dank geht hier an Beat, der den alten Akku per Volt-Zauberei wieder zum Leben erweckt hat!

Viele Hersteller produzieren mittlerweile keine Digicams mehr, wurden aufgekauft oder sind untergegangen. Die mittlerweile recht ordentlichen Smartphone-Kameras haben die kleinen Knipsen überflüssig gemacht.

Ebay und Ricardo sind voll von alten Digicams. Auch Brockenhäuser, 2nd Hand Shops, Sozialkaufhäuser und Flohmärkte bieten manchmal interessante Schnäppchen. Man bekommt sie zuweilen funktionsfähig ab 10 Euro. Seltener sind Digicams aus den 1990ern. Beim Kauf einer alten Digicam am besten darauf achten, dass sie AA-Batterien nutzt oder Akkus, die man noch kaufen kann. Speicherkartenlesegeräte sind weiterhin für fast alle je verwendeten Speicherkarten erhältlich.

Werde ich die MX-700 auch weiterhin nutzen? Auf jeden Fall, sie macht auch 2021 noch Spass. Toll auch, dass man mit einer 22-jährigen Digicam problemlos weiterhin fotografieren kann. Trotzdem bleibt die X-T30 von Fujifilm selbstverständlich meine Hauptkamera. 🙂

«
»

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.