Deutschland – Büsingen, die deutsche Enklave in der Schweiz.

Es weht ein Duft von Desinfektionsmittel durch Mitteleuropa. Menschen hamstern Reis, Pasta, Klopapier, Geschirr-Reiniger-Tabs und Frosties von Kellogg’s. Bei 37% Zuckergehalt dürfte bei diesem Produkt der Tod durch Diabetes dem Virus aber zuvorkommen.

Corona Hamsterkauf Cornflakes

Europa ist im Ausnahmezustand. Und bei vielen Menschen herrscht Panik. Deshalb gibt es einen neuen Rekord bezüglich schwer verständlicher Entscheidungen: In Deutschland muss z.B. eine Schule schliessen, wenige hundert Meter nebenan findet ein Fussballspiel mit 50’000 Zuschauern statt. In der Schweiz sollen Kinos nur jeden zweiten Sitz besetzen, dass die Menschen sich jeden Morgen und Abend dicht an dicht in die öffentlichen Verkehrsmittel drängen ist aber egal.

Ein Grund für die Panik sind sicher auch soziale und klassische Medien wie Nachrichtenportale. Gerade auch “Qualitätsmedien” kommen zunehmend unter Druck mehr Views und Clicks und somit mehr Werbegelder zu generieren. Das führt leider zu einer entsprechend boulevardesken Auswahl der Themen. 7 Corona-Virus-Artikel auf der Frontseite. Was ist mit Greta und Donald? Sind die heimlich zusammen auf eine einsame Insel gefahren?

Unser Lieblings-Tweet zum Thema Corona-Virus kommt übrigens von @DrWaumiau
Ständig saufen, rauchen und nur fettiges Essen in sich reinschaufeln. Bloß nicht zu viel bewegen. Mit 200 Sachen über die Autobahn ballern und dabei telefonieren… Aber wenn jemand an der Ecke niest, kriegt Karl-Heinz plötzlich Schiss, dass er sterben könnte. Genau mein Humor.

Aber wir wollten ja eigentlich einen Reisebericht schreiben.

Die Nase des Hörnlis zeigt nach Norden. Nach einer kurzen Winterpause im Studio machen wir den Bus reisefertig und wintern ihn aus. Dabei vergessen wir glatt den Wasserhahn zuzudrehen, der die ehemalige WC-Toilette gespeist hat (wir haben schon lange eine Trockentoilette). Ein paar Liter Wasser laufen ins Badezimmer und unter die Sitzbank. Eine Viertelstunde lautes Fluchen und Trocknen später sind wir auf der Strasse. Ich hasse Winter.

Nach dem spannenden Besuch der Enklave Campione d’Italia müssen wir die zweite Enklave in der Schweiz natürlich auch sehen. Büsingen ist offizielles Staatsgebiet von Deutschland. Die 1500 Einwohner sprechen mehrheitlich schweizerdeutsch, die Autonummern sind deutsch, bezahlt wird wiederum in Schweizer Franken. Wer das noch nicht ausreichend verwirrend findet, liest bei Wikipedia weiter.

Im Dorf treffen wir Leopold, der für die Tourismus-Förderung Büsingen arbeitet. Er behauptet, dass der Name Büsingen von Büsi (schweizerdeutsch für Katze) stammt. Ob er da recht hat?

Wir sprechen lange mit einem freundlichen älteren Mann. Er hat viel zu erzählen von seinem Büsingen. Wie verwurzelt er hier ist. Und wieviel unkomplizierter das Leben hier wäre, wenn Büsingen eine ganz normale schweizerische Gemeinde wäre, merkt man deutlich. Die Menschen hier müssten dann z.B. nicht in zwei Ländern (!) Steuern bezahlen.

Vor dem Rathaus wollen wir die deutsche und schweizerische Telefonzelle anschauen. Aber die Spassbremsen der jeweiligen Telefongesellschaften haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Mit Swisscom kann man hier gar nicht mehr telefonieren und von der magenta-farbenen Firma wird man im Regen stehen gelassen.

Wenigstens ist die Post noch doppelt vorhanden.

Dafür hat das China-Restaurant geschlossen. Man hat versucht den Büsingern Kaiten-Sushi näher zu bringen. Fliessband-Sushi also. Das funktioniert wahrscheinlich in jeder europäischen Grosstadt. Aber Sushi? In Büsingen? Das konnte ja nicht klappen.

Das härzige Dorf bietet ein paar nette alte Fachwerkhäuser, wie es sich für ein anständiges altes deutsch-schweizerisches Dorf gehört.

Zum Übernachten steuern wir zuerst einen Park4Night-Platz an. Der hat zwar Rheinblick, liegt aber direkt an der Strasse und sieht aus wie eine Baustelle. Park4Night halt. Deshalb suchen wir uns bei Maps.Me einen netten Parkplatz. Den finden wir beim Flussbad. Es ist sehr ruhig und es gibt auch hier ein bisschen Rheinblick. Im Sommer würden wir den Platz nicht anfahren, da hier wohl viele Badegäste parken wollen.

Am nächsten Morgen machen wir uns auf zum Enklavenweg, der am Parkplatz vorbeiführt. Auf dem gut beschilderten Rundweg erklären viele spannende Tafeln die Besonderheiten der Enklave und des Lebens in Büsingen.

Am Rheinufer setzen wir uns hin und lassen das Leben an uns vorüberziehen. Es ist ruhig, nur wenige Menschen sind unterwegs. Die Natur erwacht langsam aus ihrem Winterschlaf. Was für eine friedliche Stimmung.

Etwas weiter flussaufwärts liegt eine grosse Datschen-Siedlung. Manche sind sehr alt und bei manchen scheint Erich Honecker noch Hand angelegt zu haben.

Wir treffen zwei freundliche Schaffhauser, die Mitglied im Büsinger Fischereiverein sind. Sie geniessen den sonnigen Sonntag bei ihrer Datschen-Feuerstelle. In der Schweiz wohnen und Mitglied in einem schweizerischen Verein in Deutschland sein, das geht hier problemlos, erzählen sie. Wenn Grenzen nur überall so durchlässig wären.

Die Grenze Schweiz-Deutschland führt mitten durch die Gartenwirtschaft des Restaurants Waldheim. Man kann also ganz leicht ein hochkarätiges internationales tête-à-tête veranstalten. (Siehe auch unsere Grenz-Frühstück in Litauen-Lettland)

Bei 10 Grad Aussentemperatur und Wind ist die Gartenwirtschaft verständlicherweise geschlossen. Deshalb verziehen wir uns ins warme Restaurant. Nach so vielen anstrengenden bilateralen Grenzerfahrungen gibt’s erstmal eine Runde Pommes für mich und einen Milchkaffee für Sabine.

Frisch gestärkt geht’s zur Bergkirche St. Michael. Sie stammt aus dem 11. Jahrhundert und erinnert innen ein bisschen an die Kapelle im Ritterhaus Bubikon.

Uns hat Büsingen, das kleine Paradies am Rhein, mit seinen Besonderheiten sehr gut gefallen!

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Comments (8):

  1. ftrutmann@bluewin.ch

    10. März 2020 at 11:18

    Hey, vielen Dank für diese spannende, informative Schilderung des bekannt unbekannten Büsingen mit dem beeindruckend schönen, internationalen Gemeindevorsteher Leopold.
    Hier in Sampieri treibt der gleichnamige Effekt gröbere Früchte. Nachdem man verbreitet nicht abreisen WOLLTE, KANN man seit heute nicht gehen. Erstens weil man wohl keinen akzeptierten Grund hat überhaupt auf der Strasse zu sein, und zweitens weil in Campingplätzen keine neuen Gäste mehr aufgenommen werden dürfen.
    Es sind allerdings wesentliche schlimmere Orte für so eine Reisepause denkbar (;-))

    Herzliche Grüsse und bliibed gsond.

    Karin und Franz

    • Living in a Box

      10. März 2020 at 18:36

      Hehe, in Sampieri hängenbleiben. Wahrlich kein schlechter Ort um das Thema auszusitzen. Gute Gesundheit euch und den Leuten in Sampieri 🙂

  2. miro.hartmann@t-online.de

    10. März 2020 at 12:57

    Tolle Bilder. Wie immer. Welche Kamera verwendest du?
    Grüsse aus dem Süden

    • Living in a Box

      10. März 2020 at 18:38

      Hei Michael
      Vielen Dank fürs Lob. Wir haben neu eine Fujifilm X-T30, die OM-D E-M1 verwenden wir nur noch fürs Grobe und Nasse. Wir werden das neue Schätzchen in einer der nächsten Posts vorstellen.

  3. resu53@gmail.com

    10. März 2020 at 14:10

    Hi u 2 – übrigens hat Donald T….uck auch gemeint Coronavirus sei nur eine Grippe… aber lassen wir das .
    Toll wie eure neue Fuji Kamera Bilder macht genial.
    Weiter viel Spass und wir bleiben Euch auf dem Blog 🙂 & 🙂

    • Living in a Box

      10. März 2020 at 18:40

      Hmm… ja plötzlich in einem ähnlichen Lager zu sein wie Donald Trump ist natürlich ein bisschen unangenehm. Aber es geht ja jetzt auch nur um das Thema. Und natürlich hat er als wahrscheinlich einziger republikanischer Präsident der letzten 30 Jahr kein anderes Land überfallen. Viel mehr zugutehalten kann man dem Mann natürlich nicht.
      Jup, die Freude an unserer neuen Fujifilm ist gross. Wir werden auf jeden Fall darüber schreiben.

  4. adolf.burkard@bluewin.ch

    10. März 2020 at 14:13

    Schöner, informativer Bericht wie immer. Gruss vom Ritterhaus Bubikon im schönen Züri Oberland.

    • Living in a Box

      10. März 2020 at 18:41

      Vielen Dank! Büsingen ist wirklich eine Reise wert. So ein schönes Fleckchen Schweiz… äh Deutschland. 🙂

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