Corona, die Medien und das Unvollendete

“Ich chume nöd druus mit däm Züügs, machi au nöd.” (Ich verstehe das Zeugs nicht, mache ich auch nicht) – sagt Ueli Maurer auf die Frage ob er die schweizerische Covid-Tracing-App auf seinem Handy installiert hat. Ganz klar, der Mann ist nicht imstande eine App zu installieren. Dabei kapiert das doch jede Topfpflanze.

Nun wäre es gar nicht so schlimm, wenn Ueli Maurer irgendein Normalo-Bürger wäre. Der Mann sitzt aber als Bundesrat in unserer Landesregierung und man kann Vorbild-Charakter erwarten. Aber vielleicht hat er sein Defizit gar nicht bemerkt, die Kollegen vom BAG (Bundesamt für Gesundheitswesen) hielten bis vor Kurzem das Faxgerät auch als modernes Kommunikationsmittel (!).

Falls es jetzt noch jemandem nicht gedämmert hat, warum die Digitalisierung hier und natürlich auch in vielen anderen Ländern so schleppend vorangeht, liest den oberen Abschnitt einfach nochmal.

Die Swiss Covid-App

Viele Menschen stehen der Covid-App skeptisch gegenüber. Sie befürchten überwacht zu werden. Dabei hat man sich für eine dezentralen Lösung entschieden. Es werden also keine Daten auf Bundes-Servern gespeichert. Zudem ist die App Open Source. Jeder kann den Quellcode herunterladen und anschauen. Natürlich gibt es auch ein paar (theoretische) Schwachstellen, wer sein Leben aber gleichmässig mit Facebook, Whatsapp, Instagram, Google, Huawei, Xiaomi und Tiktok teilt, hat sowieso massiv grössere Privatsphäre-Probleme.

Corona und die Medien

Das PIEP-Thema beschäftigt auch die Medien weiter. Die “zweite Welle” ist angerollt und so ist das Geschrei in den Medien riesig. Die Republik z.B. schreibt, dass es in Südkorea (über 50 Millionen Einwohner) von einem Tag auf den anderen 50% mehr Todesopfer gegeben hat. Die Grafik darunter beweist es, steil führt die Kurve nach oben. Beim Blick auf die kleinen Zahlen am Rand der Grafik wird man aber stutzig. Am Vortag waren es nämlich zwei Personen die gestorben sind, am Tag danach drei. Die 50% Zuwachs stimmen zwar rechnerisch, trotzdem ist das billigster Sensationsjournalismus.

Die Medien, Trump und Xi

Wenn sich die Medien gerade mal nicht mit dem PIEP-Thema beschäftigen, ist es der Präsident der USA, der die Headlines beherrscht. Klar, Trump hat sicher einen an der Waffel und viele seiner Entscheidungen sind katastrophal. Der Tages-Anzeiger, eines der wichtigsten Medien der Schweiz, hat es geschafft in nur 5 Tagen 15 Artikel über den Mann zu schreiben. Kann man so eine News-Quelle noch ernst nehmen?

Wir finden, dass sich die Medien gerne mal mehr mit Xi Jinping, dem Staatspräsident Chinas, beschäftigen dürften. Der Mann ist nämlich zu beneiden. Er liess z.B. 2018 die Amtszeitbegrenzung aufheben, somit ist er Autokrat auf Lebenszeit. Er hat die Macht über Politik, über das Militär, über viele Schlüssel-Unternehmen und vermutlich bald über jeden einzelnen Bürger Chinas. Und er kann beliebig Minderheiten unterdrücken, Fallzahlen von Covid-19-Opfern schönen lassen, den Arzt, der das Virus entdeckt hat mundtot und später (vermutlich) umbringen lassen und Journalisten in sogenannten “Umerziehungslagern” verschwinden lassen.

Das wäre doch spannend, nicht wahr? Wie, Xi Jinping hat keinen Twitter Account? Und der spricht kein englisch? Dann ist die Recherche halt etwas aufwändiger als einfach Trumps grenzdebile Tweets zu kommentieren.

Wir könnten hier jetzt auch noch über das chinesische Problem der Raubkopierer, dem Hongkong-Thema, dem Taiwan-Konflikt, den schlimmen hygienischen Bedingungen auf Tiermärkten und vieles andere schreiben. Aber wir beschäftigen uns viel lieber mit dem Reisen.

Wohin im Sommer 2020?

Wohin also im Sommer 2020? Nach Spanien wo die Menschen wochenlang eingesperrt wurden und man nicht mal am Strand spazieren gehen durfte? Nach Italien, wo Menschen ohne Hund ebenfalls nicht nach draussen durften? Wo Menschen gebüsst wurden, weil sie in ihrer Verzweiflung mit einem Plüschhund nach draussen gingen? Wo Camper, die sich mit anderen auf dem Campingplatz unterhielten, von Polizei-Helikoptern herunter zu mehr Abstand gemahnt wurden?

Haben diese Regierungen nicht eines der elementarsten Menschenrechte mit den Füssen getreten?

Artikel 3 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948
Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.

Dass Ausgangssperren fast nichts genützt haben, konnte man übrigens schon zwei Wochen nach deren Inkrafttreten beobachten. In einer wissenschaftlichen Studie hat das mittlerweile auch die ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) bestätigt. Siehe auch Artikel in der Luzerner Zeitung.

Zum Glück konnten wir die Corona-Zeit in einem liberalen Land verbringen, der Schweiz. Auch viele andere Länder waren zwar vorsichtig, aber doch relativ offen.

Corona, die Wirtschaft und das Unvollendete

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise sind, wenig erstaunlich, gerade in Italien und Spanien enorm. Der Tourismus, der je nach Region bis zu 80% der Einnahmen ausmacht, läuft auf Sparflamme. Diese Länder bekommen jetzt aber EU-Hilfen.

Wetten, dass das Hilfsgeld gleichmässig zwischen Bürokratie und Mafia aufgeteilt wird und letztlich nicht bei denen ankommt, die es am Nötigsten hätten? Wetten, dass die Künstlergruppe Alterazioni Video ihr Projekt “Incompiuto Siciliano” (unvollendet sizilianisch) mit vielen neuen Beispielen ausstatten kann?

Schon Ende Februar/Anfang März haben wir Social Distancing betrieben. Also noch Wochen bevor die Schlafkappen der WHO gemerkt haben, dass es sich um eine Pandemie handelt. Wir werden auch weiterhin sorgsam bleiben.

Bleibt vorsichtig, bleibt gesund, bleibt kritisch. Und bitte bleibt uns treu oder holt euch einen 6-Monate- oder Jahres-Pass. Wie’s bei uns weitergeht erfährt ihr im nächsten Reisebericht.

Liebe Grüsse und schönen Sommer
/Reto und Sabine

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Comments (6):

  1. kuengcj@gmail.com

    15. Juli 2020 at 12:01

    Hahaha… geil geschrieben – besonders der erste Teil. Danke für den Post.

  2. info@fotolux.ch

    15. Juli 2020 at 13:33

    Zuerst einmal ein Merci für die vielen tollen Bilder und Texte in Euerem Reiseblog!

    «Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person», schreibt Ihr. Und Ihr fragt: «Haben diese Regierungen nicht eines der elementarsten Menschenrechte mit den Füssen getreten?»

    Mehrheitlich wohl nein, finde ich. Denn die von Euch aufgezählten Rechte müssen ja geschützt werden. Sonst bleiben sie leere Worte.

    So haben sehr wahrscheinlich zahlreiche der einschränkenden Massnahmen viele bis sehr viele Menschen davor bewahrt, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren, daran zu erkranken oder gar zu sterben.

    Leider halten sich viele Menschen nur unter Strafandrohung an Regeln. Beispielsweise im Strassenverkehr. Das ist leider Realität. »Freie Fahrt für freie Bürger« kostet in Deutschland bis heute unzählige Menschenleben. Diesen Toten, wie auch den Opfern von Covid-19, nützt das Recht auf Leben und Freiheit nichts mehr.

    Ausgangssperren haben nichts genützt, postuliert Ihr. Wieso gehen dann fast überall die Zahlen der neu nachgewiesenen Corona-Infektionen nach vorzeitiger Lockerung der Sperren und Einschränkungen wieder nach oben? Aber selbst wenn: Im Nachhinein ist immer vieles klarer. Wieso sich darüber so aufregen und zu Rundumschlägen ausholen?

    Ehrlich gesagt würde ich hier lieber mehr darüber lesen, wie Ihr konkret Euer Womo-Leben in Corona-Zeiten managt, statt streitbare Corona-Statements zu kommentieren.

    Gerade Ihr lebt ja trotz Corona im Vergleich zu sehr vielen anderen Menschen in grosser Freiheit. Weder müsst Ihr Euch täglich in übervolle Pendlerzüge zwängen und Anstreckungsrisiken eingehen, noch habt Ihr am Arbeitsplatz zu befürchten, dass die Klimaanlage nebst kühler Luft auch Corona-Viren heraus pustet. Ihr fahrt mehr oder weniger dorthin, wo Ihr Lust habt, steht auf, wenn es Euch passt und arbeitet, wenn Euch danach ist.

    Ja, Ihr habt es doch richtig gut!

    In diesem Sinne würde ich mich freuen, mehr darüber zu erfahren, wie Ihr – gerne auch in einer positiven Perspektive – mit all den Corona bedingten Ambivalenzen umgeht, die für Euch mit dem Leben im Van einhergehen. Für mein Empfinden wäre das viel interessanter als Trump’s Waffel und Xi’s angeblich fehlender Twitter-Account.

    Mal angenommen, Euch zieht es bald einmal nach Schweden: Der Bundesrat rät zurzeit bekanntlich davon ab, dieses Land zu besuchen. Würdet Ihr trotzdem dorthin aufbrechen? Welches wären Euere Wenn’s und Aber, Pros und Cons?

    Wichtig scheinen mir diese Fragen und Euere Antworten auch deswegen, weil Ihr für viele Leserinnen und Leser, welche selbst im Wohnmobil unterwegs sind, ein Vorbildfunktion innehabt. Und damit auch eine gewisse Verantwortung (»Wenn die ‚Boxies’ das machen, dann ziehen wir gleich«).

    Danke, weiterhin eine gute Reise und viel Gesundheit!

    • Living in a Box

      15. Juli 2020 at 13:59

      Vielen Dank für deinen Kommentar. Um’s kurz zu machen: Wir sind sehr vorsichtig, vielleicht vorsichtiger als viele andere Menschen. Darüber geschrieben haben wir auch schon im verlinkten Post zum Thema „Reisen in Zeiten des Coronavirus“. Von daher nehmen wir unsere Vorbildfunktion wohl besser wahr als manche Regierungsmitglieder. Trotzdem bleiben wir vernünftig: Social Distancing bringt in Skandinavien nämlich genau gleich viel wie in der Schweiz. Und das Ansteckungsrisiko ist in einer Bar in Zürich nunmal viel höher als auf einem Wanderparkplatz in Schweden. Von daher halten wir von Reisewarnungen genau gar nichts. Jeder muss für sich selber aufpassen, anders geht’s einfach nicht.

      • info@fotolux.ch

        15. Juli 2020 at 15:24

        „Jeder muss für sich selber aufpassen, anders geht’s einfach nicht.“

        Genau das funktioniert leider häufig nicht. Zur Unfallverhütung im Strassenverkehr bedarf es nunmal Geschwindigkeitsbeschränkungen. Da kann man auch nicht sagen, jeder muss auf sich selber aufpassen.

        Ähnlich ist es doch beim Corona-Risiko. Darüber hinaus geht es da nicht nur um das persönliche Wohl des Einzelnen, sondern auch um jenes der Allgemeinheit und der Wirtschaft generell.

        Klar, man würde sich auch in Schweden – und speziell im Camper – ziemlich Corona geschützt bewegen können. Wenn man weiss wie. Und nie bei einem Unfall ernsthaft verletzt wird oder erkrankt und in ein Krankenhaus mit vielen Corona-Patienten eingeliefert wird.

        Deswegen aber Reisewarnungen, welche sich an die Allgemeinheit richten, so pauschal k. o. schlagen? Für meine Empfinden passen Rundumschläge dieser Art einfach nicht zu dem sonst immer so sorgfältigen, mit Humor gespickten und feinen Schreibstil Eures Blogs. Justmy2cents.

        • Living in a Box

          15. Juli 2020 at 15:42

          Wir fanden, dass es die Schweiz sonst recht gut gemacht hat. Wahrscheinlich ist es am Schluss ein Zwischenweg. Aber von uns aus gesehen, darf ein harter Lockdown wie es in Spanien und Italien praktiziert wurde und fast nichts gebracht hat, nie mehr vorkommen. Sollen doch einfach alle die Apps installieren und ein bisschen vorsichtig sein, dann haben wir das Problem gelöst.

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