Frankreich – Normandie

Vieux-Port ist unsere erste Station in der Normandie. Wir stellen uns direkt an die Seine. Der Platz hat überhaupt nichts, was Wohnmobilfahrer so sehr anzieht. Also weder Strom noch Ver- und Entsorgung. Deshalb zieht es nicht viele davon zum übernachten hierher. Dafür bietet er eine schon fast umheimliche Ruhe. Nur selten wird sie unterbrochen von durchfahrenden Schiffen, die mit den Gezeiten Richtung Rouen oder Le Havre fahren. Was für ein Luxusplatz für uns.

Am Abend setzen wir uns mit einer Tasse Tee direkt an die Seine. Wir sind allein. Die Ebbe lässt den Fluss Richtung Meer fliessen. Es ist ganz ruhig und alles ist in goldenes Licht getaucht. Es ist einer dieser Momente, die wir so sehr schätzen.

Wir lernen ein älteres, sehr sympathisches holländisches Pärchen kennen, die mit ihrem Transit-Bus schon seit ein paar Wochen unterwegs sind. Wir testen unser holländisch und sie verstehen uns auf Anhieb. Toll.

Beim Mairie zapfen wir Gratis-Internet an. Dazu setzen wir uns bei der gegenüberliegenden Kirche auf die Treppe. Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mal Kundenmails auf einer Kirchentreppe schreiben würde… Perfekt.

Später schauen wir uns die reetgedeckten Fachwerkhäuser von Vieux-Port an. Es ist eine Zeitreise. Wir fühlen uns um Jahrhunderte zurückversetzt. Die Häuser gehören Malermeistern, Dachdeckern und Heizungsfachleuten. Es fehlt nur eine Boulangerie, die Pain au Chocolat verkauft.

Nach dem Waldspaziergang entdeckt Sabine eine Zecke an ihrem Bein. Wir fahren also zu einer Apotheke wo wir einen Zeckenhaken kaufen. Damit lässt sich die Zecke ganz schnell und einfach entfernen.

Heute ist Brückentag. Die Strasse führt uns zuerst über die Pont de Brotonne. Die ist mit knapp 1,3 km Länge und 50 m lichte Höhe sehr beeindruckend. Die Pfeiler der Brücke werden gerade vom Nebel verschluckt.

Die nächste Brücke ist noch beeindruckender. Die Pont de Normandie ist 2,1 Kilometer lang und überspannt die Seine-Mündung. Mit 856 m besitzt sie die grösste Spannweite aller Brücken in Europa. Eine filigrane Meisterleistung!

Im Besucherzentrum der Pont de Normandie kaufen wir einen Stoff-Barbapapa. Ob wir uns in ein paar Jahren an den Zusammenhang zwischen Brücke und Barbapapa noch erinnern werden ist unklar. Aussehen tut er in unserem Cockpit aber super!

Das Restaurant der Brücke wird von vielen Geschäftsleuten frequentiert. Wir vermuten also einen Geheimtipp und setzen uns ebenfalls. Um’s kurz zu machen, Vor- und Hauptspeise waren so knapp ok, die Crême Brûlée aber war sooooo gut.

Wir wollen für zwei, drei Stunden Honfleur besuchen. Viele Parkplätze weisen Höhenbeschränkungen auf oder sind voll. Überhaupt scheint das Städtchen aus allen Nähten zu platzen. Der offizielle Stellplatz bietet nur einen Übernachtungstarif, der für eine Kurzbesichtigung doch etwas teuer scheint. Wir fahren also nur durch und knipsen ein bisschen aus dem Fenster raus.

Wir haben Lust auf Häschen und steuern einen Campingplatz in Honfleur an. Dort scheint tatsächlich mindestens ein Häschen pro Stellplatz reserviert zu sein. Wir wissen nicht, ob wir unseres Victor oder lieber Hugo nennen sollen.

Unser nächstes Ziel ist Deauville. Das Städtchen ist total härzig und hat gleichzeitig etwas Mondänes. Im Hafen liegen wohl mehrere Dutzend Millionen Euro fein aufgezäumtes GFK.

Wir besuchen den Orange-Shop und versuchen – wieder mal – eine SIM-Karte zu kaufen. Geschätzte 20 Kunden vor uns warten auf drei Orange-Angestellte. Der Laden ist sehr klein. Es ist heiss. Nach einer knappen halben Stunde haben wir es fast geschafft. Die SIM-Karte liegt in Reichweite. Und dann wird ein Kunde wegen einer blöden “facture” (Rechnung) total ballistisch. Erst ruiniert er ein bisschen Mobiliar und dann, als die Angestellten ihn beruhigen wollen, greift er diese an. Wir gehen an die frische Luft und warten draussen, bis die Lage sich beruhigt hat. Der Kunde kommt auch raus und es könnte eigentlich weitergehen, aber der Chef des Ladens hat wohl die Polizei gerufen und das Schliessgitter des Ladens geht runter. Also vergessen wir die SIM wieder mal und fahren weg.

In Caen machen wir Halt beim Mémorial de Caen. Dieses Museum dokumentiert die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts vom Ersten Weltkrieg bis zum Fall der innerdeutschen Mauer und streift auch die Ereignisse im Pazifik. Wir stellen uns auf den für Wohnmobile reservierten Parkplatz direkt beim Museum. Der ist schon gut besucht, wir finden aber noch ein Plätzchen auf der Seite, die der Strasse abgewandt ist. Unser Bericht zum Museum findet sich hier.

Nach dem Museumsbesuch fahren wir nach Bayeux. Wir versuchen wieder mal eine SIM-Karte zu kaufen. Dieses mal haben wir Glück im Orange-Shop. Wir besuchen den Markt und kaufen erstmal eine leckere Bratwurst und Fritten. Und dann noch Pain au Chocolat und Baignet (Berliner).

Dann treffen wir auf ein nettes älteres Pärchen. Sie gehen mit ihrer Katze spazieren. Wir plaudern ein bisschen mit ihnen und erzählen ihnen, dass wir in unserem Bus leben.

Gegen Abend fahren wir an einen der D-Day-Strände. Wir schauen uns die Kasematten mit den Geschützen an. So viel Beton verrottet nicht so schnell und bleibt hoffentlich auch noch für viele Generationen ein Mahnmal.

Von weitem erkennen wir die provisorischen Häfen, die die Alliierten vor 70 Jahren gebaut haben. Auch sie bleiben hoffentlich noch für lange Zeit ein Mahnmal gegen den Krieg. Heute übernachten wir bei den Geschützen zwischen Gold und Omaha Beach.

Wir besichtigen den amerikanischen Soldatenfriedhof an der Omaha Beach. Im Visitor Center machen wir eine Flughafen-Erfahrung. Wir werden gescannt und müssen sämtliche metallischen Gegenstände auf ein Förderband zur Prüfung legen. Wir verhalten uns ausnahmsweise mal friedlich und passieren deshalb ungehindert.

Als Stellplatz wählen wir die Apfelplantage eines Obstbauern, die Ferme du Lavoir in Formigny. Sie liegt wenige Kilometer von der Omaha Beach und bietet sich für die Besichtigung dieses geschichtsträchtigen Strandabschnitts und der Museen an. Der Bio-Cidre, den der Obstbauer anbietet schmeckt so gut, dass die meisten unserer Stellplatznachbarn länger bleiben. Wir auch. 😉

Wir haben jetzt auch einen Hund. Ausgeliehen vom Obstbauern. Er heisst E-Frit. Wie man das schreibt und ob das E für Elektro steht, wissen wir auch nicht.

Ein paar Tage später fahren wir auf die Halbinsel von La Hague. Jeder Atomkraftgegner der etwas auf sich hält bekommt einen Ausschlag wenn er den Begriff hört. Grund ist die riesige Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Kernbrennstoffe. Beim passieren der kilometerlangen Anlage sehen wir einen Wegweiser zum Informationszentrum. Wir folgen ihm, stellen unseren Bus auf den Parkplatz und suchen das Informationszentrum. Es gibt keines. Aber es gibt einen Empfang, vielleicht bekommt man ja dort Informationen. Der freundliche Mitarbeiter des Empfangs kann recht gut englisch bis wir ihn fragen, was sie denn hier so genau machen. Da lassen ihn seine Englischkenntnisse sofort im Stich. Naja… wir könnten sowas auf französisch ja auch nicht erklären.

An der Spitze der Halbinsel, bei Auderville, stellen wir unseren Bus auf einen Stellplatz und spazieren zu einem Leuchtturm.

Natürlich hat man im zweiten Weltkrieg auch hier einen Bunker aufgestellt. Der ist der Traum jedes Immobilienmaklers, besitzt er doch eine Dachterrasse, die durch eine Auffahrt zu erreichen ist.

Nach dem Spaziergang fahren wir noch ein paar Kilometer weiter auf den Parkplatz beim Nez de Jobourg.

Unser Nachbar bekommt den Preis für das coolste Wohnmobil Frankreichs.

Einen Tag später haben unsere Solarpanels Pause. Trotz des schlechten Wetters ziehen sie heute 240 Wh für uns. Woher genau wissen wir nicht, der Himmel ist dunkelgrau, es nieselt den ganzen Morgen lang und die fahle Sonne lässt sich erst gegen 17 Uhr blicken.

Immerhin gibt es am Abend noch eine schöne Lichtstimmung am Nez de Jobourg. Wir sind heute ganz alleine. Nur der Wind streicht um uns und die Strömung der Gezeiten ist leise zu hören.

Am nächsten Tag geht’s Richtung Süden. An einem Strand machen wir Mittagspause. Wir teilen ihn nur noch mit einer andern Frau.

An der Küste kuscheln sich die Wohnmobilisten aber immer noch dicht an dicht. Darauf haben wir gerade keine Lust. Deshalb stellen wir uns ins Landesinnere nach La Lucerne-d’Outremer. Auf dem Stellplatz den wir ansteuern ist niemand und es ist total ruhig.

Am morgen verpassen wir leider das Pain au Chocolat im kleinen Dorfladen. Dafür kaufen wir sonst noch ein. Das Highlight des schmucken Dörfchens ist das Château de la Lucerne, das auch Chambres d’hôtes (Zimmer) anbietet. Wären wir jetzt noch mit Auto und Zelt unterwegs, hätten wir uns wohl eine oder zwei Nächte in diesem bezaubernden Gebäude einquartiert.

Auf der Weiterfahrt sehen wir ein Schild, das uns zum deutschen Soldatenfriedhof in der Nähe von Huisnes-sur-Mer führt. Wir schauen uns die Anlage an. Es gibt kein Visitor Center und keinen Besucherauflauf. Es gibt nur nochmals 11887 sinnlos verschwendete Menschenleben und viel Ruhe.

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Comments (2):

  1. Hansueli Weber

    21. Oktober 2016 at 8:01

    Toll immer wieder eure Berichte zu lesen. Auch wir haben die Normandie gesehen und waren beeindruckt und zugleich schockiert über das Geschehene.
    Wir haben vor einiger Zeit den Beitrag im „Regio“ des Zürcher Oberländers gelesen, dort erwähnt ihr, dass ihr den Winter in Marokko verbringen werdet. Wir planen für Feb. /März 2017 ebenfalls Maokko zu bereisen. Vielleicht gibt es ein Wiedersehen
    Weiterhin gute Reise
    wünschen euch von unterwegs in der Slowakei
    Hansueli & Margrit

    • Living in a Box

      21. Oktober 2016 at 11:15

      Hei zäme. Vielen Dank für den Kommentar. Inzwischen sind wir nicht mehr sicher, ob wir es bis nach Marokko schaffen werden. Da wir schon lange nicht mehr länger an einem Ort waren, möchten wir in Zukunft weniger Kilometer fahren. Deshalb überlegen wir uns, den Winter in Spanien und Portugal zu verbringen. Wir würden uns aber auf jeden Fall auf ein Wiedersehen freuen. Vielleicht in Südspanien? Liebe Grüsse Sabine und /Reto

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